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Yachtüberführung von Valencia nach Pula

4.7. (Tag 1)
Ankunft in Valencia, mit Taxi zur Marina. Anja, Bernd (die Eigner) und Jochen (Gast) warten schon auf mich. Bernd zeigt mir die Bavaria C46 und erklärt wichtige Details. Die Yacht ist von 2018.
Da die Yacht aus gesundheitlichen Gründen von Bernd einige Monate unbewegt in der Marina lag, wurde sie im Vorfeld auf Herz und Nieren geprüft, gewartet und instandgesetzt.
Am späten Nachmittag kommen zwei Freunde der Eigner dazu.
Abends gemeinsames Essen in Valencia. Bester Thunfischsalat, den ich jemals aß! Es ist sehr heiß an diesem Abend, aber mit der vorhandenen Klimaanlage super zu ertragen.
Ich bin als Skipper engagiert, da Bernd aus gesundheitlichen Gründen nicht mitfahren kann.
Alle Systeme, soweit in der Marina testbar, sind okay.
5.7. (Tag 2)
Am Morgen bespreche ich mit der Crew die Rollen (Technik, Pantry, Hygiene) an Bord. Ich halte das für wichtig, damit alle anfallenden Tätigkeiten ohne Diskussionen selbständig erledigt werden. Ich hänge eine Liste an den Schrank, an dem jede erledigte Arbeit abgehakt werden soll. Die Rollen werden täglich wechseln. Wir erstellen Skizzen, um die Lage von Seeventilen und Feuerlöschern zu dokumentieren. Ich habe Listen vorbereitet, auf denen der Ablauf von Funksprüchen (Mayday, Pan Pan) beschrieben ist und erkläre das Funkgerät, insbesondere die Distress-Taste. Außerdem werden Listen mit Notfallnummern der Länder, durch die wir reisen werden, am Funkgerät platziert.
Zum Glück hat die Crew die Sicherheitseinweisung bereits im Vorfeld online im Segler-Portal durchgeführt. Somit brauchen wir damit keine Zeit (und je nach Größe und Erfahrung der Crew dauert sowas schon mal mehrere Stunden) in der stickigen Luft unter Deck mit nervigen, aber notwendigen Themen wie z. B. "Wie benutze ich eine Bordtoilette?" oder "Warum muss der Gashahn nach Benutzung geschlossen werden?" zu verdödeln. Nachdem im Bereich Sicherheitseinweisung keine Fragen offenblieben, habe ich die unterschriebenen Protokolle im Logbuch abgelegt. Damit habe ich einen Beleg darüber, dass jeder an Bord über die möglichen Gefahren unterrichtet wurde.
Gegen 11 Uhr, nachdem Bernd Richtung Flughafen verabschiedet wurde, legen wir ab Richtung Mallorca. Aber erstmal unter Motor zur Tankstelle. Volltanken und 3 Reservekanister mit Diesel füllen.
Die Überfahrt ist recht entspannt, wenn auch unter Motor, da null Wind.
6.7. (Tag 3)
Wir erreichen Mallorca gegen 10:30 Uhr und beschließen, nicht in die Marina von Palma einzulaufen, sondern wollen in einer Bucht vor El Arenal zu ankern. Leider funktioniert die Ankerwinsch nicht. Sie gibt nur ein Klicken von sich. Also doch in die Marina Real Club Nautico de Palma. Anlegen klappte super. Wir recherchieren und finden einen deutschen Bootstechniker, der am nächsten Tag die Winsch reparieren soll.
Kurz nach dem Auslaufen in Valencia prüfte ich die Rollgenua und stellte fest, dass sie sich nur sehr schlecht, mit viel Kraftaufwand wieder einholen ließ. Der Techniker gab uns telefonisch den Tipp, die Kugellager der Rollgenua mit Gleitmittel zu bearbeiten.
7.7. (Tag 4)
Um das Rollgenua-Problem zu beheben, kletterten wir am Morgen mit dem Bootsmannsstuhl in den Mast. Tatsächlich funktionierte das Einrollen besser, aber noch nicht richtig gut.
Während wir auf den Techniker warteten, kam ein Falkner auf unseren und alle anderen Stege. Sein freifliegender Falke sorgte dafür, dass keine anderen Vögel die Boote vollschissen.
10:30 h kam der Techniker. Er kannte sich sehr gut aus und stellte innerhalb weniger Minuten fest, dass die Sicherung der Winsch kaputt war. Er besorgte eine neue, setzte sie ein und das war’s. Um 13:30 Uhr machten wir uns dann unter Segeln auf den Weg Richtung Sardinien.
Die am Anfang der Reise besprochenen Rollen und die damit verbundenen Aufgaben werden von jedem Crewmitglied erledigt. Eine echte Entlastung für mich als Skipper.
Im Laufe des Tages schläft der Wind ein und wir motoren, lassen die Segel aber gesetzt. Um 22 Uhr beginnt die erste Wache, ich und der Rest der Crew liegen in unseren Kojen. Vorher habe ich die Segel noch stark gerefft, um sicherzustellen, dass bei auffrischendem Wind nichts passieren kann.
8.7. (Tag 5)
Gegen 1 Uhr werde ich geweckt, da der Wind auffrischt. Zusammen trimmen wir die Segel und stoppen die Maschine.
Vor der Abreise in Mallorca haben wir, wie vor jeder Abfahrt, das Wetter mit Windy, Predictwind und Windfinder geprüft. 5–6 Bft, von Gewitter keine Spur.
Plötzlich waren wir mitten in einem mega Gewitter. Von kurz nach eins bis nach 8 Uhr am nächsten Morgen blitzte und donnerte es um uns herum und die Windstärke steigt auf über 8 Bft. Ich versuche das Vorsegel mehr zu verkleinern, aber es hakt und es bildet sich eine Tasche, in der der Wind sich verfängt und somit am Segel reißt. Die Wellen werden in der Dunkelheit immer höher und die Yacht stampft durch die Wellen. Es ist nicht möglich, nach vorne zu gehen, um direkt am Segel zu arbeiten. Es ist stockdunkel.
Das Vorsegel scheint bisher nicht beschädigt, es schlägt aber wie wild um sich. Die Wellenhöhe schätze ich auf über 3 Meter.
Als die Crew von Anja und Bernd zusammengestellt wurde, wurde explizit darauf hingewiesen, dass eine Überführung mit mehreren aufeinanderfolgenden Seetagen und -nächten möglicherweise nicht mit dem Segeln auf einem, wenn auch großen, See zu vergleichen ist. Den aktuell Wachhabenden mit eben dieser Segelerfahrung wurde schlecht, und eine leichte Form von Panik brach unter ihnen aus, was zu unüberlegten Reaktionen führte. Dabei verletzte sich eine Person durch einen Sturz noch am Kopf, was die ganze Sache noch dramatischer erscheinen ließ. Noch in der Nacht beschlossen beide, das Schiff bei nächster Gelegenheit zu verlassen und die Reise vorzeitig zu beenden.
Anja und ich übernehmen das Steuer aus Sicherheitsgründen, weil es den beiden "Wachhabenden" nicht gut geht.
9.7. (Tag 6)
Ich bin echt froh, als es langsam heller wird. Ich hatte die ganze Zeit keine Sorge um das Schiff. Aus Erfahrung weiß ich, dass es mit dem Wetter – starkem Wind – und der Wellenhöhe, die ich inzwischen auf über 4 Meter schätze, umgehen kann. Ich befürchte aber, dass das Vorsegel zerreißt. Über die Holeleine können wir es nicht aufrollen. Nachdem es hell genug ist, beschließe ich mit Jochen nach vorne zu gehen, um die komplett verknoteten Schoten zu entwirren. Anja bekommt die Anweisung, Kreise zu fahren, damit sich das Segel um das Vorstag wickelt. Das macht sie, trotzt des enormen Wellengangs hervorragend. Nach jeder Umdrehung haben Jochen und ich die Leinen, die wie Peitschen umherschlugen, neu sortiert. Es gab einige blaue Flecken und einige Male tauchte der Bug so tief ins Wasser, dass ich komplett unter Wasser war. Zum Glück ist das Mittelmeer ja warm.
Nachdem das Segel aufgerollt war und dieses schreckliche Schlagen aufgehört hat, haben wir die Segel neu ausgerichtet, um weiter zu segeln. Nur zu motoren war keine Option, da wir noch sehr weit vom Land (Sardinien) entfernt waren. Anschließend habe ich mich in meine Koje gelegt, natürlich mit trockener Kleidung.
Kurze Zeit später wurde ich durch extremen Krach und wilde Vibrationen geweckt. Ich bin sofort an Deck. Man hatte den Motor im Leerlauf mitlaufen lassen, um die Batterien aufzuladen. Der Rudergänger wollte vom Leerlauf in einen Gang schalten, weil er meinte, dadurch würde die Schraube unsere Fahrt weniger bremsen, da sich der Faltpropeller dann zusammenklappt. Dabei entstand ein extrem lauter Krach.
Motor aus. Reiseroute ändern Richtung nächste Marina. Für Handy noch weit weg von der Küste, also via Funk Kontakt mit der nächsten Marina "Portoscuso" kurz vor Sardinien aufgenommen. Man gab uns die Koordinaten, an denen wir vor der Marina ankern sollten. Gegen 23:30 Uhr erreichten wir den Platz und ankerten unter Segeln. Auch das klappte auf Anhieb.
10.7. (Tag 7)
Am nächsten Morgen teilte man uns mit, dass wir nicht in die Marina können und man uns auch nicht weiterhelfen kann. Wir wussten bis dahin auch nicht, was wirklich passiert ist.
Jochen tauchte unter das Boot und teilte uns mit, dass ein Blatt von unserer vierblättrigen Schraube fehlte. Mit dieser Info haben wir sämtliche Marinas mit entsprechendem Kran angerufen bzw. per E-Mail kontaktiert – dem Internet sei Dank! Nach vielen vergeblichen Telefonaten fanden wir eine passende Marina, die uns auch sofort aufnehmen konnte. Wir konnten sie fast von unserem Ankerplatz sehen, mussten aber komplett um die Insel Sant'Antioco herumsegeln, da ca. 200 m vor der Marina eine feste Brücke ist, unter der wir nicht herfahren konnten.
Wir haben natürlich auch versucht, mit Bavaria in Kontakt zu treten. Jedoch wurde keine unserer E-Mails, keiner unserer Anrufe (auf allen bekannten Leitungen) angenommen. Es gab bis heute (18.7.) absolut keine Reaktion von Bavaria, auch die kontaktierten Bavaria-Vertragshändler rührten sich in keiner Weise bzw. versprachen, ein "Ticket" für uns bei Bavaria zu eröffnen, und SVB als Bavaria-Ersatzteil-Händler versprach, sich zu kümmern, und hat unsere Anfrage direkt weitergeleitet – dennoch bisher auch keine Rückmeldung. Von Anfang an war die Coastguard in die Aktion involviert. Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals sehr für deren Einsatz bedanken. Sie hielten immer Kontakt zu uns und fragten mehrfach unaufgefordert nach, ob wir Hilfe brauchten. Dazu kamen sie sogar mehrfach mit ihrem Einsatzboot zu uns.
11.7. (Tag 8)
Wieder null Wind. Wir warteten bis ca. 10 Uhr und starteten unsere Umrundung. Um erst mal in Fahrt zu kommen und die betonnten Fahrwasser zu queren, haben wir unser Dinghy mit dem 2,5-PS-Außenborder längsseits an der Yacht befestigt und konnten so zumindest ein wenig manövrieren. Als es dann etwas Wind gab, segelten wir mit ca. 1,5 bis 2 Knoten die 23 sm um die Insel.
Wie gerne hätte ich den Motor bei diesem miesen Wind angeschmissen. Gegen 19 Uhr sind wir mit dem letzten Windhauch in die Bucht "Torre Cannai" gefahren, um zu ankern. Es wurde eine ruhige Nacht. Das Dinghy blieb mit Motor im Wasser, schließlich ist es unsere einzige Möglichkeit, zu manövrieren bei Windstille.
12.7. (Tag 9)
Am nächsten Morgen starten wir gegen 8 Uhr mit extrem wenig Wind in der geschützten Bucht. Wir bekamen das Boot kaum von der Stelle. Nachdem wir uns aus der Bucht herausgequält hatten, konnten wir plötzlich mit über 7 Knoten Fahrt in Richtung Werft fahren. Ca. 4 sm vorher wieder von jetzt auf gleich null Wind. Die Mitarbeiter der Werft sahen uns schon und schickten eine Segelyacht, die uns Richtung Werft schleppte. Dort wieder ankern. Nach ca. 2 Stunden frischte der Wind wieder sehr auf und unser Anker, den wir ja nicht richtig einfahren konnten, rutschte. Aber nur kurz, dann griff er wieder. Der Wind wurde jetzt sehr stark. Von der Werft kam nun ein Motorboot, um uns in die Werft zu schleppen. Klappte hervorragend, auch wenn unterwegs die Schleppleine riss. Ein herzliches Dankeschön auch an die Mitarbeiter der Werft (Sacrirm Bootsreparatur-Service), die uns auf unserem Weg zu ihnen permanent, wenn auch nur per WhatsApp, begleitet haben und immer wieder nachgefragt haben, wie denn der Stand der Dinge ist und ob wir Hilfe brauchen.
Wir verbringen die Nacht an einem Liegeplatz in der Werft.
13.7. (Tag 10)
Bernd kommt am Abend zur Unterstütung angeflogen. Gemeinsam gehen wir essen und verbringen eine weitere Nacht in der Werft.
14.7. (Tag 11)
Am nächsten Vormittag wird „Wally-3“ gekrant. Unsere Annahme bestätigt sich: Ein Propellerblatt fehlt und wir haben Wasser im Getriebeöl. Nach einigen Checks der Werftarbeiter wird der Schaden als nicht ganz so dramatisch eingestuft.
15.7. (Tag 11)
Es folgt der scheinbar schwierigste Teil der Misere – die Suche nach den passenden Ersatzteilen: Propeller, Dichtungen usw. In ganz Europa wird nach den Teilen gesucht. Es wird beschlossen, den hochwertigen vierblättrigen Faltpropeller durch einen festen Dreiflügler zu ersetzen, da dieser schneller verfügbar ist.
Jetzt ist alles bestellt, und wir warten auf die Expresslieferung. Der Einbau wird dann sicher zügig vonstattengehen. Es geht um jeden Tag – wir müssen spätestens am 31.7. in Pula sein.
Heute stellten wir Beschädigungen am Bimini fest. Einige Nähte hatten sich in Luft aufgelöst. Der Eigner beschloss, die Wartezeit zu nutzen, um alle Nähte durch eine Fachfirma überarbeiten zu lassen. Außerdem stellten wir fest, dass die Holeleine der Rollgenua an einigen Stellen nicht mehr 100-prozentig ok ist. Auch hier wurde ein Wechsel der Leine beauftragt.
16.7. (Tag 12)
Die beiden Freunde der Eigner hatten nach der stürmischen Überfahrt beschlossen, die Reise vorzeitig zu beenden und sind heute zusammen mit Bernd vom Flughafen Cagliari zurückgeflogen. Für uns (Anja, Jochen und mich) bedeutet das – wenn die Reise überhaupt fortgesetzt werden kann – eine enorme Mehrbelastung, da die Wachzeiten nicht wie geplant auf fünf Schultern, sondern nun nur noch auf drei Schultern verteilt werden müssen. Und aufgrund des großen Zeitverlusts durch den Schaden und die damit verbundene Wartezeit müssen wir mehr oder weniger jeden Tag und jede Nacht durchfahren, um unser Ziel Pula vor dem 1. August zu erreichen. Das sind ca. 1100 sm!!!
17.7. (Tag 13)
Heute wurden einige Ersatzteile geliefert. Die Schraube war nicht dabei. :-(
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